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Geisteswissenschaftliche Brücke: LMU und UC Berkeley stärken Forschung

17.10.2024

Der Erfolg spricht für sich: 150 Projekte und 40 Fachkonferenzen allein seit 2014. Jetzt findet an der LMU eine dreitätige Konferenz zur Zukunft der Geisteswissenschaften statt.

University of California, Berkeley

Der Sather Tower, auch bekannt als der "Campanile", ist eines der Wahrzeichen der UC Berkeley.

© picture alliance / Newscom | Image of Sport

Von Berkeley aus bot sich Irene Högner ein Postkartenblick: „Vom Campus aus sieht man geradeaus über die Bucht von San Francisco und die Golden Gate Bridge am Horizont.“ Doch ihr Forschungsaufenthalt an der kalifornischen Universität brachte der Archäologin viel mehr als diesen schönen Ausblick. Daheim an der LMU arbeitet sie an einer Dissertation zu „Sozialen Bindungen in mykenischer Zeit“ auf dem Gebiet der Bioarchäologie.

Dabei analysiert Högner menschliche Skelettreste und deren Begräbnisstätten, um mehr über die soziale Organisation und Verwandtschaftsbeziehungen bronzezeitlicher Gemeinschaften zu erfahren. Als sie im Frühjahr für zwei Monate in Berkeley zu Gast war, wertete sie gerade die Grabungsdokumentation ihrer Fallstudie in Griechenland aus – und der persönliche Austausch mit einer renommierten Forscherin dieses Feldes brachte ihre Forschung stark voran.

„Professorin Kim Shelton ist eine wissenschaftliche Koryphäe in der Archäologie der ägäischen Bronzezeit“, so Högner. Der Fundort, den Shelton derzeit untersucht, sei ihrem sehr ähnlich: „Das Gräberfeld, das ich analysiere, liegt in Zentralgriechenland, die Grabung von Professorin Shelton auf dem Peloponnes“, so die Doktorandin. „Mit ihr konnte ich aktuelle Thesen besprechen, die in der Forschungsliteratur noch nicht ausführlich diskutiert werden, da Grabungen und ihre Publikation ein sehr langwieriger Prozess sind.“

Gefördert wurde Högners Reise von der Forschungskooperation „LMU-UCB Research in the Humanities“, mit der die University of California, Berkeley (UCB), und die LMU seit 2007 ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit stärken. Sie gehört zu den ersten strategischen Partnerschaften, die die LMU im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs geschlossen hat. Gefördert wird der Austausch von Promovierenden, Postdoktorandinnen und Postdoktoranden sowie etablierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Geisteswissenschaften.

„Austausch von unschätzbarem Wert“

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Antragsberechtigt sind Mitglieder der geisteswissenschaftlichen Fakultäten. Im Rahmen der Kooperation können die Forschenden sich etwa um Reisegelder oder die Unterstützung von Konferenzen und Workshops bewerben. Allein in den letzten zehn Jahren kamen so rund 150 gemeinsame wissenschaftliche Projekte zustande. In diesem Jahr zum ersten Mal findet, vom 17. bis 19. Oktober, auch fächerübergreifend eine „LMU-UCB Research in the Humanities“-Konferenz zur Zukunft der Geisteswissenschaften statt.

„Die Kooperation zwischen der LMU und der UCB ermöglicht unseren Forschenden, in einem internationalen Umfeld wertvolle Erfahrungen zu sammeln, Ideen und Expertise auszutauschen und neue wissenschaftliche Impulse zu erhalten und zu geben“, erklärt die Vizepräsidentin für den Bereich „Internationales und Diversity“ der LMU, Professorin Francesca Biagini. „Gerade auch in den Geisteswissenschaften ist der internationale Austausch von unschätzbarem Wert. Denn er bringt unterschiedliche kulturelle und wissenschaftliche Perspektiven zusammen und trägt so zu einem tieferen Verständnis komplexer gesellschaftlicher und historischer Zusammenhänge bei.“

Insgesamt 48 LMU-Promovierende wie Irene Högner und 36 Postdocs der Geisteswissenschaften reisten bislang mit dem Programm nach Kalifornien. Finanziert werden dabei Anreise, Verwaltungskosten, etwa für das Visum, die Studiengebühren in Berkeley sowie Unterkunft und Lebensunterhalt. „Das Quartier, das ich wie viele andere Gastforschende über Privatvermietende gefunden hatte, war nur einen längeren Spaziergang vom Campus entfernt“, so Irene Högner.

Gemeinsam die Antike analysieren

Im Rahmen der Partnerschaft fanden zudem allein in den letzten zehn Jahren 40 Konferenzen und Forschungsworkshops statt. Erst in diesem Jahr gab es gemeinsame Veranstaltungen zu den Themen „Divination, Doubt and Uncertainty in Early Modern Drama“ im Bereich der Englischen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, „Dynamics of Tradition Building in Asian Buddhism(s)“ in der Klassischen Indologie und „Uneven Development in the Ancient Mediterranean and Near East“ im Bereich der Antiken Geschichte. Letztere wurde von dem LMU-Historiker Professor John Weisweiler zusammen mit seinem Fachkollegen von der UCB, Professor Carlos F. Noreña, organisiert.

Die Förderung ihrer bereits zweiten Konferenz zu diesem Thema im Rahmen der Kooperation – einmal in München, einmal in Berkeley – habe ihre Forschung „stark vorangebracht“, erklärt John Weisweiler, der an seinem Lehrstuhl für Alte Geschichte Ungleichheit im Römischen Reich erforscht. „Ein prominentes Beispiel für solche Ungleichheiten war Südspanien, das ab dem ersten Jahrhundert nach Christus durch eine blühende Olivenölproduktion erheblich vom römischen Reich profitierte.“ Die Region habe ihre Produkte bis nach Rom und zu römischen Militärbasen exportiert und den lokalen Eliten damit großen Reichtum beschert, während etwa die Atlantikküste oder die nördlichen Grenzen des Römischen Reichs bis hin zum Hadrianswall in England kaum integriert waren.

„Die unbürokratische und planbare Förderung durch die LMU und die UC Berkeley hat es uns ermöglicht, dieses Thema langfristig und intensiv gemeinsam zu erforschen – etwas, das mit externen Fördermitteln viel schwieriger wäre“, so Weisweiler „Diese verlässliche Zusammenarbeit schafft einen Raum, in dem sich Ideen frei entwickeln können, und fördert den persönlichen Austausch, der oft auch den Grundstein für neue, kreative Forschungsprojekte legt.“ So will er nun zusammen mit einer Historikerin der UCB ein Projekt zur Erforschung der Rolle von Frauen in der antiken Wirtschaft angehen.

Forschen an der kalifornischen Küste

Um ähnliche Kooperationen zwischen etablierten Forschenden der beiden Universitäten zu erleichtern, fördert die Partnerschaft mit Berkeley auch Gastprofessuren: Mehr als 25 UCB-Professorinnen und -Professoren waren im vergangenen Jahrzehnt auf Einladung von LMU-Kolleginnen und -Kollegen zu Gast in München; auch LMU-Forschende gingen bereits für Gastprofessuren nach Berkeley.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden gebeten, ihre aktuellen Forschungsprojekte an der Gast-Universität in Form eines öffentlichen Vortrags vorzustellen, und je nach Dauer ihres Aufenthalts auch ermutigt, mit einer Vorlesung oder einem Kurs zur Lehre beizutragen. Für kommendes Jahr ist etwa eine Gastprofessur von Professor Jeroen Dewulf von der UCB an der Fakultät für Katholische Theologie in München geplant, während Dr. Charlotte Lerg vom Amerika-Institut der LMU im Frühjahr eine Gastprofessur am Englischen Institut in Berkeley antreten wird.

Doktorandin Irene Högner hat vom persönlichen Austausch nicht nur mit der Berkeley-Professorin, sondern auch mit Promovierenden ähnlicher Dissertationsthemen „sehr profitiert“. Neben ihrer Forschungsarbeit begeisterten sie die Natur der kalifornischen Küste sowie die uralten Ökosysteme und Mammutbäume in den Nationalparks. Das vielfältige Kulturangebot der Bay Area habe zudem „spannende Gelegenheiten für intensive kulturelle und interkulturelle Erfahrungen“ geboten.

Und nicht zuletzt gab eine Grünfläche mitten in Berkeley Anlass zu zeitgeschichtlichen Reflektionen: „Der People's Park wird als historischer Schauplatz der 68er-Studentenbewegung angesehen, als diese gegen soziale Ungleichheit und Krieg demonstrierten“, erklärt Högner. „In den letzten Jahren ist er aufgrund verschiedener gesellschaftspolitischer Herausforderungen erneut zu einem Brennpunkt des nach wie vor lebendigen lokalen Aktivismus in Berkeley geworden“.Weitere Informationen:

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